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Abraham Lehrer (Mitte), Ulrike Lubek und Kardinal Rainer Maria Woelki haben das Dekret Kaiser Konstantins in Empfang genommen. Foto: © Robert Boecker

Dekret Kaiser Konstantins in Köln zu sehen: erster urkundlicher Beleg für jüdisches Leben in Deutschland

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Köln (pek/hm). Am späten Mittwochabend (8. September) ist das Dekret Kaiser Konstantins aus dem Jahre 321 in Köln angekommen, von dem das Gedenk- und Jubiläumsjahr seinen Ausgang nahm. Das Dokument belegt die mindestens 1700-jährige Existenz von Jüdinnen und Juden nördlich der Alpen. Bis 11. Oktober wird die Leihgabe der Vatikanischen Bibliothek anlässlich der Ausstellung „In die Weite. Aspekte jüdischen Lebens in Deutschland“ als Kooperation von LVR-MiQua und Kolumba zu sehen sein. Die Ausstellung in Kolumba dauert vom 15. September 2021 bis 15. August 2022.

Im Dezember des Jahres 321 erließ Kaiser Konstantin ein im ganzen Reich gültiges Gesetz. Es besagt, dass Juden städtische Ämter in den Kurien, den römischen Stadträten, bekleiden durften und sollten. Es ist die früheste Quelle zur Existenz von Jüdinnen und Juden in den nördlichen Provinzen des Reiches und damit in den heutigen deutschsprachigen Räumen. Es begründet das diesjährige Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ und ist Ursprung aller Überlegungen zu diesem Thema.

Nur zwei Fassungen des Dekrets erhalten

Lediglich zwei Fassungen des Gesetzes sind erhalten, darunter die älteste Abschrift aus dem 6. Jahrhundert, die in der Bibliotheca Vaticana in Rom aufbewahrt wird. Nun ist es gelungen, dieses Dokument, auch durch den Einsatz des Kölner Erzbischofs, zum Auftakt der Ausstellung „In die Weite. Aspekte jüdischen Lebens“ für fünf Wochen nach Köln zu holen. Dies ist umso bemerkenswerter, als solche frühen und einzigartigen Quellen in der Vatikanischen Bibliothek mit einer grundsätzlichen Ausleihsperre versehen sind. Ulrike Lubek, Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, und Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, haben die wertvolle Leihgabe im Museum Kolumba in Empfang genommen.

„Dass diese kostbare Quelle jüdischen Lebens als Herzstück der Jubiläumsausstellung nun in Köln angekommen ist, ist ein starkes Symbol der engen Verbundenheit und Solidarität zwischen Juden und Christen in unserer Stadt. Ich bin Kardinal de Mendonca, dem Präfekten der Vatikanischen Bibliothek, sehr dankbar, dass er uns diesen außergewöhnlichen Wunsch erfüllt hat. Das Dekret dokumentiert, dass schon im Jahr 321 jüdische Mitbürger in Köln gelebt haben und spätestens ab diesem Zeitpunkt in die Stadtregierung eingebunden werden konnten. Gerade in einer Zeit, in der wir es in Deutschland leider wieder vermehrt mit antisemitischen Anfeindungen zu tun haben, ist es umso wichtiger zu zeigen, wie bedeutend jüdisches Leben für unsere Geschichte und Kultur sowie für den jüdisch-christlichen Dialog ist“, so Woelki.

„Ein erhabener und berührender Moment“

Auch Lubek freut sich über die wertvolle Leihgabe: „Das Dekret Kaiser Konstantins ist als früheste Quelle jüdischen Lebens in Deutschland von unschätzbarem Wert. Es bildet nicht nur den Mittelpunkt der Ausstellung ‚In die Weite‘, sondern ist auch der Ursprung dieses großartigen Festjahres. Solch ein wertvolles Schriftstück nun ausstellen zu dürfen ist selbst für den LVR, der mit seinen Museen und Kultureinrichtungen große und jahrzehntelange Erfahrung mit bedeutenden Objekten hat, ein absolutes Highlight in diesem ereignisreichen Jahr. Es ist für mich ein erhabener und berührender Moment, beim Empfang dieser Leihgabe dabei sein zu können.“

„Dass es gelungen ist, das Dekret nach Köln zu holen bedeutet mir persönlich, aber auch für die Ausstellung viel. Die Ankunft und Ausstellung wird ein Ereignis von außergewöhnlichem öffentlichem Interesse, das national und international Beachtung finden wird. Es ist eine große Geste und zeugt von Vertrauen, dass dieses außergewöhnliche historische Zeugnis zu Gast sein kann und so dem breiten Publikum zugänglich gemacht wird. Dafür ist die jüdische Gemeinde dem Vatikan und Papst Franziskus sehr dankbar“, so Lehrer, der auch Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln ist.

Das Verlorene emotional erfahrbar machen

Die Ausstellung ist gemeinsam von Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, und MiQua, dem LVR-Jüdischen Museum im Archäologischen Quartier Köln, erarbeitet worden. Anhand zahlreicher Objekte schafft sie Zugänge zur Vergangenheit und Gegenwart eines vielfältigen jüdischen Lebens in Deutschland. Die scheinbare Zusammenhanglosigkeit, die Lücken und das Verlorene finden ihre Reflektion in den Kunstwerken der Kolumba-Sammlung, die in diesem Ambiente eine emotionale, ästhetische und assoziative Erweiterung bieten.

Kolumba zeigt eine Auswahl von rund 100 internationalen Leihgaben, die zum Teil über die Dauer der Jahresausstellung wechseln werden. „Mit Kunstwerken der Kolumba-Sammlung werden die angesprochenen Themen um eine existentielle und emotionale Erfahrung bereichert. Denn im Unterschied zu den an ihre Faktizität gebundenen Dingen werden wir mit den Werken der ,freien Kunst‘ jenen Anteil von Geschichte ansprechen, über den man nicht als Faktum berichten kann; mithin das nicht Benennbare, das Geglaubte und nur Träumbare, das vage Aufscheinende und das Unvorstellbare“, so die Website des Museums.

In einem besonderen Raum wird mit der vollständig erhaltenen Genisa der ehemaligen Synagoge aus Niederzissen, die als dritter Partner im Projekt ist, einer der eindrücklichsten Funde zur jüdischen Kultur in Deutschland ein ganzes Jahr lang in Kolumba präsent sein. Als Genisa wird ein versteckter Stauraum für religiöse Schriften und Gegenstände bezeichnet, die nicht mehr benutzt werden können. Die Niederzissener Genisa ist von einzigartiger Bedeutung; ihre umfangreichen Textilfunde bilden den größten bisher jemals geborgenen Bestand an jüdischen Ritualien aus Stoff.

www.kolumba.de